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2005 - 2006 Paradies - Kulissen - Zeit Perlen Paradiesische Paramente | Persönliche Paradiese Zu den MADE FOR ADMONT-Arbeiten von Johannes Deutsch Michael Braunsteiner Das Benediktinerstift Admont blickt auf eine lange Sammlungstradition im Bereich der Naturkunde und Kunstgeschichte zurück. Mit der Eröffnung des neuen Museums im Jahre 2003 hat es seine Aktivitäten im Hinblick auf die zukünftige Mitgestaltung und Reflektion zeitgenössischer Kunst ausgeweitet. Der kuratorische Schwerpunkt der Sammlung liegt auf der österreichischen Gegenwartskunst, ihrer Erweiterung in Richtung internationale Kunst und in der gezielten Förderung künstlerischer Produktion durch die hauseigene Reihe MADE FOR ADMONT. Eine Besonderheit dieser seit dem Jahre 2000 bestehenden und kontinuierlich weiter entwickelten Produktionsreihe sind grundsätzlich für blinde Menschen konzipierte Kunstwerke. Mit seiner Tast-, Riech- und Hörinvasion, dem „Unsichtbaren Garten“ (2006), durch den sehende von blinden Menschen geführt werden, hat der Medienkünstler Johannes Deutsch einen wesentlichen und außergewöhnlichen Beitrag geleistet. Für das Museum und die Sammlung des Stiftes ist er ein Künstler der ersten Stunde. Die Jahresausstellung im Museum des Stiftes Admont im Jahre 2006 war dem Thema Paradies gewidmet. Sie trug den Titel „Das Paradies – Schlangen haben keinen Zutritt“. Johannes Deutsch war eingeladen worden, einen wesentlichen, ortsspezifischen künstlerischen Beitrag zu diesem Thema zu leisten. Innerhalb der Reihe MADE FOR ADMONT sind 2005/06 somit mehrere Bilder entstanden: ein Triptychon und ein dreidimensionales Glasschichtenobjekt. Diese Werke – „Trittico Paradiso“ und „Paradiso - pausa creativa“ waren temporär integrativer Bestandteil des Kunsthistorischen Museums. In der dortigen Schatzkammer standen sie im Dialog mit jenen historischen, in Großvitrinen untergebrachten Werken, auf die sie sich auf einer ihrer Bedeutungsebenen beziehen: Im Zuge seiner Recherchen im Stift Admont hat Johannes Deutsch die […] Textilien von Fr. Benno Haan in der Paramentenkammer (dem Depot für sakrale Textilien) besichtigt. Hier fand der Künstler jene Kunst, welche für ihn nicht nur die relevanten Sujets beinhaltete, sondern die auch aufgrund ihrer Materialbeschaffenheit, der Nadelmalerei, für ihn von Interesse war. Das dabei entstandene Bildmaterial konnte Deutsch direkt mit weiterem Bildmaterial, welches der Künstler immer aus dem persönlichen Bereich entwickelt, komplex und vielschichtig verweben. […] Dieses texturbetonte Bildmaterial von Benno Haan inspirierte Johannes Deutsch, der sich seit den späten 80er Jahren in der Computergrafik immer auch mit Druckrastern und Bildschirmzeilen beschäftigt hat, erstmals zu einem Foto-Zyklus gänzlich ohne Bildrasterung. Das Paradies. Eine Zeit Perle? Jeder glaubt zu wissen, was damit gemeint ist. […] Das Paradies erwarten wir nach dem Tod. […] Auch der Künstler Johannes Deutsch trägt Sehnsüchte nach und Vorstellungen vom Paradies mit sich. In den Werken des Triptychons, „Flutti“, „Boschetto“ und „Fiamme“, sowie im Glasschichtenobjekt „Paradiso - pausa creativa“ tauchen Zitate seiner ganz persönlichen Paradiesvorstellung auf […] Das für Johannes Deutsch und dessen Arbeit so bedeutende Bühnenmotiv, hier mit dem Konzertflügel, Stiltischen und -stühlen, Blumenvasen und Büchern, Zitaten aus in der Vergangenheit seiner Familie, bestimmt als Leitmotiv Teile des Werkzyklus. Vielleicht lassen sich diese in ihren diffusen, aquarienartigen Kulissenwelten „schwimmenden“ Motive als pars pro toto für Idealwelt des Künstlers verstehen, in der die in unserer Zeit mehr und mehr an Bedeutung in der Gesellschaft verlierenden Phänomene Hochkultur, elitäre Bildung, durchaus auch Bourgeoisie im positiven Sinne, eine tragende Rolle spielen. Wir wissen es nicht. Wir können nur ahnen. Wir spüren auch Spannungen. Des Künstlers Frau, sein Sohn, der Künstler selbst, jeder für sich, begegnen uns – vielmehr sie erscheinen uns immer wieder wie aus den Nebeln einer anderen, einer ungreifbaren Welt. Das menschliche Verlangen nach ewig währender familiärer Glückseligkeit und Eintracht scheint hier gefroren zu sein wie unvorstellbar schnelles Licht – und schon im nächsten Moment droht es harsch zu zerbersten, zu entgleiten, zu verschwimmen. Alles ist vergänglich. Selbst die elementarsten Bausteine – Farben etwa wie das Rot (Feuer), das Blau (Wasser), das Grün (Wachstum) des „Trittico Paradiso“, ja, selbst die Kunstwerke selbst – scheinen der Vergänglichkeit auf Dauer nicht Stand zu halten. Flutti. Panta rhei. Alles fließt. Boschetto. Alles wächst und stirbt. Fiamme. Alles brennt und wandelt sich. Alles kommt und geht. Und wir, Teile des Alles, kommen und vergehen mit allem. Die irdische Welt ist schön und grausam. Glückseligkeit! Vanitas! Wir Menschen erleben Endlichkeit. Die Endlichkeit unserer Umgebung, unserer Mitmenschen, der Natur. Und spüren letztlich auch die eigene. Das verunsichert. Und es wirft Fragen auf: Warum? Woher? Wohin? Warum lebe ich und bin ich sterblich? Woher komme ich? Wohin werde ich eines Tages gehen? Warum leiden wir? Viele Religionen führen das Leid auf einen „Sündenfall“ zurück. Ursprünglich lebte der Mensch wie im Schlaraffenland in einem Paradies, ganz ohne Sorgen. Begriffe wie hässlich, furchterregend etc. existierten nicht. Erst mit der Vertreibung des Menschen aus diesem Paradies setzt die kognitive Differenzierung in das Gute und Schöne auf der einen, und das Böse und Hässliche auf der anderen Seite ein. In der realen, von allerlei Schrecklichkeiten und täglichen Horrormeldungen geprägten Alltagswelt bekam die Imagination des Paradieses den Charakter einer verklärten, seligen utopischen Gegenwelt. Sämtliche zivilisatorischen Anstrengungen und Stadien unseres technischen Fortschritts scheinen sich darauf zu richten, sich an das verlorene Paradies wieder anzunähern – – – obwohl paradoxerweise gerade absolute Ruhe und perfekte Harmonie für uns getriebene Menschen die Hölle ist! Durch das künstlerische Werk von Johannes Deutsch zieht sich auch das PALIMPSESThafte. Spätestens seit Umberto Ecos Roman „Baudolino“ (München/Wien, 2001, S. 9-10) dürfte einem breiten Leserkreis bekannt sein, was mit Palimpsest gemeint ist. Aus Gründen der Materialknappheit wurden in der Antike und im Mittelalter meist auf Papyrus oder Pergament geschriebene Texte oft mehrfach abgeschabt oder auf andere Weise entfernt und neu geschrieben. Die häufige Wiederverwendung von Manuskriptseiten konnte aus diversen Gründen zu Überlagerungen von Texten führen. Mit den heutigen chemischen und fotografischen Verfahren lassen sich die Löschvorgänge wieder rückgängig machen. Dadurch können ältere, unter den jüngeren liegende Texte wieder sichtbar werden. Der Eindruck eines Palimpsests entsteht in den Kunstwerken von Johannes Deutsch jedoch weder aus Spargründen noch durch ein destruktives, sondern durch ein konstruktives additives Verfahren. Es wird nichts abgeschabt, nichts abgewaschen, es werden keine „archäologischen“ Schichten frei gelegt, um eine Decodierung zu erzielen, sondern sie werden ganz bewusst geschaffen. Die aus einzelnen Bildern – artifiziellen Konstrukten, litaneischen Leitmotiven, privaten Momentaufnahmen und im vorliegenden Fall Fotografien von historischen Textilkunstwerken – bestehenden Sinnschichten werden zugunsten einer Verrätselung, einer Bild-Chiffrierung überblendet. Dadurch entsteht der Effekt eines undurchdringlichen „Bilder-Urwaldes“. Je nach Betrachter und Betrachtungsweise richtet sich die Aufmerksamkeit auf ganz bestimmte Bildmotive, tauchen Sinnschichten auf und verschwinden wieder, klären sich Bildsujets und stellen sich rasch wieder in Frage. Das Urwaldmotiv, Terrain der wilden und üppig wuchernden Natur ist in der Literatur- und Kunstgeschichte gerade in Zusammenhang mit Paradiesvorstellungen häufig mythologisiert und märchenhaft verklärt worden. Es kann auch eine Anspielung an die Mechanismen unseres menschliches Bewusst- und Unbewusstseins hinter diesem Gestaltungsprinzip vermutet werden. Bewusstseinsinhalte kommen und gehen in uns, versickern scheinbar für immer, werden wir frei gelegt, gruppieren und schichten sich ständig neu etc. Anderseits ist eine Assoziation mit unserer ständigen zeittypischen Reizüberflutung , und auch den Verführungen seitens der permanent auf uns einprasselnden, uns fragwürdige Paradiese vorgaukelnden Werbung, geradezu unvermeidlich. Wir leben in einer Zeit, in der eine Konzentration auf das Wesentliche unmöglich zu sein scheint. Alles ist „speed“. Niemand kommt zur Ruhe. Die Umstände zerreißen uns in Stücke. Jeder will ganz sein. Fühlen wir uns zu ganz, ist es uns eine Qual. Wir wünschen uns anderswo hin. Sind wir dort, passt es auch nicht. Was, wo ist es nur, das verflixte Paradies?! Und was, wo ist die Hölle?! Auszug aus: "Johannes Deutsch. Zeit Perlen", Wien: Verlag Johann Lehner 2010, ISBN 978-3-901749-95-7 Mit Beiträgen von Peter Bogner (Hg. für das Künstlerhaus Wien), Michael Braunsteiner, Patrizia Giampieri-Deutsch und Margit Zuckriegl (Kuratorin der gleichnamigen Ausstellung) Veranstaltung, Ort: Admont - Wien Werkegruppe Paradies - Kulissen |
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