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2004 - 2009
Zeit Perlen - Kulissen - Micro Oper

Die hier entwickelten "Kulissen"-Bilder
und die sukzessive Verwandlung dieser "Kulissen" waren komositorisch maßgeblich für die Gestaltung der Micro Oper "Zeit Perlen" (Nick Prokop, Musik) einer Idee für das Haus der Musik in Wien und sie sind mein inhaltlichenr wie gestalterischer Zugang zu den "Metamorphosen" des Ovid, welche ich in einzelnen thematisch geschlosseneren Serien zwischen 2004 und 2010 frei interpretiert habe ("Le fontane di Italo", "Paradiso - pausa creativa", "Hebe", "Ceyx und Alcyone"," Arethusa", "Noah´s Aussicht").
JD, 2010


Margit Zuckriegl

Fiktive Biografie eines Bildinventors

Johannes Deutsch ist ein Laborant und Experimentator. Er könnte als Goldsucher und Kristallleser in den Studierstuben Rudolfs II seine Bilderfindungen gemacht haben oder als Himmelsvermesser und Weltausleger im maurischen Spanien. Er ist jedoch ein Künstler, der in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eine malerische und grafische Ausbildung genossen hat und sich anschließend in einem postgradualen Aufenthalt an der Städelschule in Frankfurt bei Peter Weibel ein ungewöhnliches mediales Rüstzeug erarbeitet hat: von Anfang an war sein Bestreben auf die Verbindung, ja geradezu auf die Amalgamierung von Malerei und digitalen Bildmedien angelegt. In seiner persönlichen Biografie steht dieser immer wieder neu ansetzende Versuch am Beginn seiner Karriere als bildender Künstler, in der Biografie des fiktiven Bildinventors ist das die bloße Charakterisierung eines permanenten Seins-Zustandes.
Grenzen und Grenzüberschreitungen sind nicht das Vokabular, mit dem Johannes Deutsch an den Formulierungen seiner Bildgeschichten arbeitet. Er betritt keine abgesteckten Territorien und kommt damit auch niemanden ins Gehege, für ihn gibt es schlicht keine Trennungen und Kategorisierungen und damit auch keine Abstoßbewegungen gegenüber einmal Gefundenem und Ausformuliertem. Er bewegt sich in fließenden Räumen, in denen das Noch-Nicht und das Nicht-Mehr regieren, in denen ein permanentes Klima der Veränderung und der Metamorphose die ingeniösen Pflänzlein üppig ins Kraut schießen lassen. Deutsch, der fiktive Bildinventor, hat nach seiner zaghaft begonnenen künstlerischen Ausbildung in einer mittelösterreichischen Hauptstadt einen schier unendlichen Weg in globale Netzwerke und transdisziplinäre Foren angetreten; er ist als Inventor jedoch nicht einer, der sich aus einem vorgefertigten oder fremden Bilderfundus bedient, sondern einer, der die potenziell unermesslichen Bildwelten um ein beträchtliches anreichert. Nachdem für ihn der Computer das Malmittel geworden war und die Fotografie das Handwerkzeug, betrat er den schwarzen Raum der Magie, in dem zunächst Nichts und dann Alles vorhanden ist. Aus dem Unsichtbaren etwas Darstellbares zu destillieren - das ist eine der permanenten Suchbewegungen des Bildinventors, der unwillkürlich vorhandenen Bildern eine andere, neue Sichtbarkeit verleiht.


Bild und Medien
Ein stickender Mönch im Benediktinerstift Admont schuf eine unsichtbare Bildwelt: Benno Hahn kam aus Dänemark und beherrschte die Kunst der „Nadelmalerei“, eine im Barock überaus geschätzte Kunstfertigkeit, den zeremonialen Paramenten Prunk und Eleganz zu verleihen. Er hat 60 Jahre im Stift verbracht und eine unscheinbare Welt hinterlassen - ausgeführt in Gold- und Silberzwirn, akzentuiert in Perlen und Applikationen, vorgetragen mittels der körperlichen Präsenz der Geistlichen beim Ritus. Neben den Palmwedeln und den pflanzlichen Ornamenten tauchen figürliche Szenen auf, liturgische Symbole und prosaische Tierdarstellungen. Johannes Deutsch holt sie hervor, allein durch sein Sehen und das Festhalten der Bilder und Details. Danach werden sie wie auch seine eigene Malerei, Fotos aus seinem eigenen Bildvokabular, Porträts aus seiner familiären Umgebung in einen neuen digitalen Bildgenerierungsprozess eingeschleust.
War nicht auch Benno Hahn eine Bildertransferierer? Seine Vorlagen waren ihm als theologisches Programm vorgegeben und er setzte sie in einem altmeisterlichen Medientransfer in seiner Technik um. Ein Bildinventor auch er - Johannes Deutsch sucht sich seine Genealogie in der Geschichte der Kunst, in der antiken Mythologie und in Analogien zu seiner eigenen Existenz als Künstler in einem Schwellenbereich ohne eindeutige Zuordnungspraktiken.
Und gab nicht auch der kontemplative Akt des Stickens einer bildersüchtigen Welt ein imagologisches Konzept vor, das vom Unsichtbaren ins Sichtbare zielt? Wer sich heute nicht im Stiftsmuseum vor den Ausstellungsvitrinen die Nase platt drückt, kann von dieser unsichtbaren Welt nichts ahnen. Erst die fotomanipulative Handschrift von Johannes Deutsch integriert sie stückweise wieder in eine bildliche Rhetorik, in der sie verwoben - im wahrsten Sinn des Wortes - ihre Funktion und Konnotation haben.


Die Klage des Eisvogels
Unsichtbar ist auch das Mädchen Dora Bruder, das im gleichnamigen Roman von Patrick Modiano gesucht wird. Für die fantastische Bilderfolge „Dora Bruder“ hat Johannes Deutsch den Entwurf dieser Recherche-Erzählung des französischen Autors zum fiktiven Gelände seiner Geschichte gemacht, in dem sich Suchen und Finden, Rufen und Schweigen, Wissen und Ahnen übereinander ablagern und durchdringen. In der Dämmerung vor der Apokalypse taucht das blitzlichtartig erhellte Bildnis eines Mädchens auf, gesucht per Annonce von den Eltern, in größter Sorge in einer besorgniserregenden Zeit; es ist Dezember 1941, Paris, die deutsche Okkupation hat zu Verhaftungen und Internierungen geführt. Der staatenlose, ehemals österreichische Vater und die ungarische Mutter waren in den „Judenakten“ erfasst, die 15-jährige Dora nicht, es bestand Hoffnung. Der Autor recherchierte die Geschichte dieser Familie und beschreibt - verwoben mit seiner eigenen und mit zeitgleichen Schicksalen - den verzweifelten Versuch, das vermisste Mädchen der Unsichtbarkeit zu entziehen, nur um resigniert feststellen zu müssen, dass es dann, als man seiner wieder ansichtig wurde, dies in einem Internierungslager war, wo sie und ihr Vater, später auch die Mutter für den Transport nach Auschwitz zusammengetrieben wurden.
Die Serie von fotografischen Bildern, die Johannes Deutsch dieser Suche gewidmet hat, ist eine Folge von Bildkästen, in denen die Straßen, Bäume, Menschen wie unter einer grau-schmutzigen Eisschicht gefroren sind. Ein Monument der Erinnerung und ein verhangenes Spiel mit dem Gedächtnis sind sie, gleichsam ein bildliches Gebet, ein Erkennen des Entschwindens.
Bilder werden von Johannes Deutsch erfunden, nur um gleich wieder mit dem Dialog des Nicht-Bildlichen konfrontiert zu werden. Die Geschichte des liebevollsten Ehepaares aller Zeiten, das Gleichnis von Ceyx und Alcyone, ist eine Bildgeschichte vom Meer und vom Jenseits. Der friedliebende König Ceyx wird von Perseus in ein verhängnisvolles Kriegsgeschehen mitgerissen und geht mit seinem sinkenden Schiff in den Fluten unter, während die am Gestade wartende Gattin im Traum von seinem Tod erfährt. In den Metamorphosen des Ovid steht dieses Bild für die Metapher von unerschütterlicher Liebe und unendlicher Trauer um den Verlorenen. Der scheue, schillernde Eisvogel trägt als ornithologische Spezies bis heute den Namen des geliebten Ceyx. In den großformatigen Bildtafeln von Johannes Deutsch mutiert die antike Sage zu einer barocken, vielschichtigen Inszenierung, in der verschwindende Menschenbilder, verblassende Architekturen, gleitende Wellenbögen und verschleierte Silhouetten zu einer melancholischen Seelenlandschaft zusammenwachsen.


Im Vorhof der Kunst
Das Musée des Beaux-Arts in Nizza ist in einem prachtvollen Palais beheimatet. Bevor man sich den darin präsentierten Kunstwerken widmen kann, erklimmt man eine repräsentative Treppenflucht, in deren Mitte sich eine atemberaubende Figur erhebt: „Hebe“, eine Marmorplastik des französischen Bildhauers Jean Coulon von 1888. Im Alter von 35 Jahren hatte sie Coulon geschaffen und sie wirkt wie an der Schwelle von einem gewagten Versuch eines stürmischen Jungkünstlers zu einer abgeklärten Abstraktion von Dynamismus und Bewegung. Die antike Personifizierung der Jugendschönheit, die den Göttern den Trank reicht, bedeutet nach Expertenmeinung den Inbegriff einer „impressionistischen“ Plastik in einer Folge von Werken, an deren Endpunkt mit Auguste Rodin ein neuer Skulpturenbegriff steht. Ist sie nicht vielmehr eine Vorwegnahme der futuristischen Auffassung, nach der ein Rennauto mehr künstlerische Schönheit auf sich vereint, als die Nike von Samothrake? Ist die Jugendschönheit am Ende eines Zeitalters nicht ein Versprechen an ein neues Jahrhundert - und ist sie nicht selbst ein Zeichen für ein neues Raumgefühl, das in die plastische Gestaltung eindringt, aus ihr verströmt und sich in räumlichen Vektoren durch das gesamte, von ihr definierte Interieur einbringt? Für Johannes Deutsch, der sich wiederum von „Hebe“ auf die Fährte seiner Bildfindungen bringen ließ, ist sie der Dreh- und Angelpunkt einer Serie von intensiv bearbeiteten Fotobildern, deren Details und Handlungsfäden rund um die sich auflösende Skulptur kreisen. Wie in einem barocken, kostbar ausgestatteten Innenraum fliegen die zentripetalen Bildassoziationen rund um den einzigen, festen Bildbestandteil: die Sockelplastik, die als Konstante immer feststeht, die aber umrundet werden muss, um einen Standort zu finden, eine Blickachse zu finden, die ihr in all ihrer Vielansichtigkeit gerecht werden könnte.
Die Biografie des fiktiven Bildinventors ist mit den Reflexionen über bildende Kunst noch nicht zu Ende geschrieben. Im Vorhof der Kunst entdeckte er Lyrik und Musik, Mahler und Byron, Wagner und Rilke, zu denen er vielgestaltige Projekte entwickelte. Es sind nicht nur die Partituren, die er zu seinen Annäherungen anlegt oder die Dutzenden Skizzenbücher und Konzeptregister, an denen er nächtelang schreibt und zeichnet - es ist geradezu der demiurgenhafte Ansatz, mit Kunst und durch deren Interpretation etwas für die Sinne des Menschen gänzlich Neues zu erschaffen. Seine Musik-Räume und Hör-Bilder, seine szenischen Opernvisualisierungen und symphonischen Klangarchitekturen sind fließende Werke ohne strikte Tektonik oder Systematik. Nicht dass sie nicht genauest und penibelst mit der akribischsten Sachkenntnis angegangen würden - dennoch eignet ihnen eine Unvoreingenommenheit im Interpretativen, das manchmal verstört und manchen Apologeten irritiert: zu Mahlers Musik digital fluktuierende Wandgemälde? Zu Schumanns Hybrid-Oper „Manfred“ apokalyptische Landschaften in Cinemascope? Hier lassen sich die nächsten Chronologien in der fortzuschreibenden Biografie ausmachen - der Bildinventionen ist noch nicht ausreichend Genüge getan.


Auszug aus:
"Johannes Deutsch. Zeit Perlen",
Wien: Verlag Johann Lehner 2010, ISBN 978-3-901749-95-7
Mit Beiträgen von Peter Bogner (Hg. für das Künstlerhaus Wien), Michael Braunsteiner, Patrizia Giampieri-Deutsch und Margit Zuckriegl (Kuratorin der gleichnamigen Ausstellung)


Veranstaltung, Ort: Wien

Werkegruppe Zeit Perlen - Kulissen